Von der Hitze ins kühle Meeresklima ist es nur ein Katzensprung. Für australische Verhältnisse, versteht sich. Das Barossa Valley nahe Adelaide ist vergleichsweise warm, doch gleich ausserhalb der Stadtgrenzen sieht die Sache schon anders aus.
Hochgelegene Parzellen in den Adelaide Hills sind wie gemacht, um eher kühlfruchtige Weine zu erzeugen. Das eine knappe Flugstunde entfernt gelegene Coonawarra profitiert nicht nur von speziellen Bodenverhältnissen, sondern auch dem Einfluss des nahen, stets kühlen Ozeans; das regenreiche Tasmanien fasziniert alle.
Zu den angesagtesten Weinbauregionen gehören auch jene Regionen, die von Melbourne aus bequem erreicht werden können. Im Yarra Valley oder auf der Mornington-Halbinsel werden elegante, strahlend klare Pinots noirs fabriziert, die Chardonnays erreichen burgundisches Format. Ob man sie alle auf den ersten Schluck nach Australien stecken würde, kann man diskutieren, aber an ihrer Klasse gibt es, wenn sie beispielsweise von Ten Minutes by Tractor stammen, nichts zu deuteln.
Das Klima in diesen weniger heissen Teilen Australiens ähnelt mitunter dem der Bourgogne, auf warme Tage folgen kühle, und Jahrgangsunterschiede sind ebenso deutlich festzustellen wie im guten alten Europa.
Genau dessen Entwicklungen haben die modernen Winzer Australiens fest im Blick. Wer auf sich hält und Erfolg haben will, beobachtet genau die Entwicklungen an der Côte d’Or (was Pinot noir und Chardonnay angeht), in Deutschland (was Riesling und Grauburgunder betrifft) oder in Südfrankreich (Grenache, Marsanne und Mourvèdre).
Eine Leichtigkeit, denn die Weinkarten der australischen Restaurants strotzen nur so vor Abfüllungen der Spitzenerzeuger Europas. Zu verdanken ist die aktuelle Leidenschaft für Frische aber auch Vorreitern wie Henschke: So feine, schlanke, elegante Weissweine wie der Riesling namens Julius sind auch an Mosel und Rhein nicht selbstverständlich.
Und niemand soll sagen, dass es lediglich die kleinen Produzenten wären, die mit Individualität von sich reden machen. Penfolds, der vielleicht bekannteste Erzeuger des Kontinents, stellt ausser gekonnt vinifizierten Standards auch höchst individuelle Terroirgewächse her, die alle Vorurteile über australischen Wein eindrucksvoll widerlegen.
SAM COVERDALE: MEISTERSTÜCK
Vor Schlangen warnt das Hinweisschild am Polperro-Weinberg, unmittelbar am Empfangsgebäude – angeblich keine leere Drohung. Wer unterwegs ist, zu Fuss in der Umgebung, wird ausserdem gebeten, auf Kängurus zu achten. Red Hill ist tatsächlich Australien, wie man es sich vorstellt. Und Sam Coverdale ist ein australischer Winzer, wie man ihn nicht treffender skizzieren kann: hemdsärmelig, locker, immer bereit, durch die Weinberge zu fahren und aus den Barriques verkosten zu lassen.
Nach Lehr- und Wanderjahren, auch im Burgund, hat er auf der kühlen Mornington-Halbinsel Pinot noir und Chardonnay angepflanzt, dazu den in Mode gekommenen Pinot gris. Sie gelingen fein und elegant, vielleicht noch nicht ganz so finessenreich wie beim Nachbarn Ten Minutes by Tractor, aber allemal sehr überzeugend. Eine Frage der Spontanvergärung und des gekonnten Holzeinsatzes! Gleiche Prinzipien gelten auch für den Syrah, den Coverdale aus dem Canberra District bezieht und unter der Marke Even Keel anbietet. Ganz schön weit weg, aber was sind schon ein, zwei Flugstunden oder eine Tagesreise mit dem Auto? In Australien nur ein Klacks!
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