Stilistisch verkosten sich die 2019er sehr klassisch – ganz im positiven Sinne des Wortes. Während die 2018er etwas opulenter und expressiver wirkten, präsentieren sich die 2019er – vom Crus Bourgeois bis zum Grand Cru Classé – sehr balanciert, mit einer eher kühlen Fruchtanmutung, ausgereiften und balancierten Tanninen bzw. einer gut stützenden Säure.

Für Stéphane Derenoncourt, einen der führenden Weinberater in Bordeaux, der Güter an der Rive droite wie an der Rive gauche betreut, war das linke Ufer leicht bevorteilt, da vor allem die Cabernet Sauvignons in perfektem Zustand geerntet werden konnten und wunderbar klassisch ausfielen. Seiner Meinung nach schmecken die Weine, die vor dem Regen Mitte September geerntet wurden, «sonniger», die später gelesenen «klassischer». Seinen eigenen Wein der Domaine de l’A (Castillon Côtes de Bordeaux) vergleicht er mit einer verfeinerten Version seines 2001ers. Edouard Moueix (Ets. Jean-Pierre Moueix, Négociant et Producteur) erinnern die Weine seiner Familie, unter anderem Trotanoy, La Fleur-Pétrus und Bélair-Monange, an jene des Jahrgangs 2005, aufgrund der Frische und festen Tanninstruktur. Sara Lecompte-Cuvelier, Managing Director beim Deuxième Cru Léoville-Poyferré (St-Julien), sieht beim 2019er Parallelen zum Jahrgang 2009 aufgrund der sonnigen Charakteristik und öligen Textur, allerdings mit mehr Frische im Aromenausdruck.

Bei den Vergleichen lässt sich auch vernehmen, dass die 2019er wie die 2010er seien, nur weniger streng, oder wie die 2016er, nur mit weniger Tannin. Einhellig ist die Weinkritik mit der Einschätzung, dass die Qualität an die Jahrgänge 2015, 2016 und 2018 heranreicht. Nach den ersten Verkostungen präsentiert sich für uns der Jahrgang als sehr gut, mit einigen herausragenden Weinen.

Die momentane Marktsituation könnte für Bordeaux nicht schlechter sein. Bereits ohne Covid-19-Krise gibt es die Strafzölle im wichtigen US-Markt, wieder politische Unruhen in Hongkong, welche auch den chinesischen Markt beeinflussen, und nicht zuletzt den Brexit. Die Devise lautet daher: Preissenkungen! Wie deutlich diese ausfallen werden, zeigen die Einschätzungen und Prognosen von Hubert de Boüard (Angélus, St-Emilion), der mit einer Reduktion zwischen 10 und 40 Prozent rechnet. Edouard Moueix ist ebenfalls der Meinung, dass die Preise aufgrund
des ökonomischen Umfeldes reduziert werden müssen, damit die Kunden die Freude am Primeur-Kauf nicht verlieren, nennt aber explizit keine Zahlen. Jedenfalls gehen Bordeaux-Kenner davon aus, dass im Juni und Juli die meisten Preise der Weine genannt und bekannt sind.

Den Startschuss zur Bordeaux-Kampagne 2019 gab überraschend Château Pontet-Canet (Pauillac) am 28. Mai ab. Der Preis pro Flasche Pontet-Canet 2019 ex-Bordeaux: 58 Euro. Das bedeutet ein Minus von 31 Prozent im Ver- gleich zum Jahrgang 2018 (Preis 2018: € 84,–; 2017: € 80,–; 2016: € 108,–; 2015: € 75,–). Die 58 Euro für den 2019er bedeuten für Pontet-Canet den tiefsten Preis aller Primeur-Kampagnen seit 2008. Justine Tesseron, zusammen mit ihrem Vater Alfred Eigentümerin von Château Pontet-Canet, wollte mit dem sehr guten Primeur-Preis in einem sehr guten Jahrgang auch ein Zeichen setzen, «to make people happy in this crazy world», wie sie der englischen Zeitschrift «Decanter» erklärte.

Mit Château Palmer (Margaux) ging es am 2. Juni weiter: 161 Euro pro Flasche 2019er ex-Bordeaux, was einer Preisreduktion von 33 Prozent gleichkommt (Preis 2018: € 240,–; 2017: € 192,–; 2016: € 240,–; 2015: € 210,–). Château Palmer verkauft laut CEO Thomas Duroux seit Jahrgang 2010 jeweils um 50 Prozent des Jahrgangs en primeur. Weiter ging die Preiskampagne mit Château Cantemerle 2019: € 16,80 ex-Bordeaux, minus 18 Prozent im Vergleich zu 2018. Und mit Cos d’Estournel am 3. Juni (2019: € 110,–; 2018: € 144,–; minus 23,5%). Weitere in diesen Tagen bekannt gewordene Preise: Domaine de Chevalier 2019 (€ 39,60; minus 25% zu 2018), Château Lafite-Rothschild 2019 (€ 396,–; minus 15,7%), Château Duhart-Milon 2019 (€ 48,–, minus 12,7%), Château L’Evangile (€ 135,–; minus 25%), Château Valandraud (€ 90,–; minus 30,2 %), Château Branaire-Ducru (€ 28,20; minus 26,6 %), Château Gazin (€ 50,40; minus 19,3 %) und Château Cheval Blanc (€ 370,–; minus 29,9 %).

Mit den Ex-Bordeaux-Preisen beginnt gleichzeitig der Konkurrenzkampf der Schweizer Weinhändler. Zu den schnellsten bei den Subskripionslisten gehört jeweils Granchâteaux in der Westschweiz: Pontet- Canet 2019 (Fr. 75.–; Magnum Fr. 155.–), Palmer 2019 (Fr. 200.–; Magnum Fr. 405.–), Cos d’Estournel 2019 (Fr. 139.–; Magnum Fr. 283.–).

ST-EMILION

POMEROL

LALANDE-DE-POMEROL

CASTILLON CÔTES DE BORDEAUX

FRONSAC

CÔTES DE BOURG

BLAYE CÔTES DE BORDEAUX

LUSSAC

MONTAGNE

PUISSEGUIN

FREIER BLICK AUF CERTAN DE MAY

NEUE MERLOT-PERLE FÜR VIGNOBLES SILVIO DENZ

CLOS ST-JULIEN UND PETIT GRAVET AÎNE