Carlo Ferrini berät Weingüter vom Piemont bis Sizilien. In Zürich zeigte der Star-Önologe nun die eigenen Weine, auch alle sechs bisherigen Jahrgänge seines Giodo Brunello di Montalcino. (Foto: Gian Marco Castelberg)

Carlo Ferrini strahlt Würde aus. Ein Italiener, wie man ihn sich vorstellt, ausgestattet mit Schnurrbart und Selbst­bewusstsein, gut gekleidet sowieso. Doch eine gewisse Nervosität ist dem Herrn in den besten Jahren anzumerken, denn diesmal geht es nicht etwa um eines der vielen Beratungsprojekte, mit denen sich Ferrini, einer der be­kanntesten Flying Winemaker Italiens, seit vielen Jahren befasst. An diesem Mittag stehen die eigenen Weine des gebürtigen Florentiners im Mittelpunkt. «Ich bin sehr neugierig», bekennt Ferrini und schaut ein wenig wie der Schulbub in Erwartung der Zeugnisse. Den 2009er habe er schon lange nicht mehr probiert, nur noch wenige Flaschen seien vorhanden.

Von Herzblut zu reden, wäre allzu klischeebehaftet, aber tatsächlich steckt in dem nach Carlos Eltern Giovanna und Donatello (Giodo) benannten Betrieb eine Extrapor­tion Leidenschaft. Schliesslich muss Ferrini bei seinem eigenen Wein keine Kompromisse eingehen – anders als bei den zahlreichen Auftraggebern, für die er seit Jahr­zehnten beratend tätig ist. 2002 startete das Giodo-­Projekt in der Toskana, aber man musste sich bis 2009 gedulden, bis erstmals das Material für einen Brunello di Montalcino geerntet wurde. Einen einzigen Wein dieses Namens prä­sentiert Ferrini pro Jahr, eine Riserva oberhalb der norma­len Abfüllung ist nicht vorgesehen. Lediglich den Rosso IGT gibt es, den «kleinen Brunello», einen Ausnahme­-Wein in seiner Klasse. Für ihn wie für den Brunello gilt, dass alles zusammenpassen muss. Rund 30 Monate Ausbau in 500­ und 700 ­Liter­Fässern, neu und gebraucht, eineinhalb Jahre in der Flasche – so lautet die Formal für den Bru­nello; der Rosso reift weniger lange im Fass, kommt früher in den Handel. Balance ist bei beiden wichtig. «Das Holz darf den Wein nur unterstützen», fasst Carlo Ferrini seine Philosophie zusammen. Ein Prinzip, das eigentlich die meisten Weinmacher der Welt unterschreiben würden – nur um sich anschliessend doch nicht dran zu halten. Der Giodo­-Chef aber macht keine Ausnahmen und ist auch bei den Rebsorten konsequent. «Mein Wein soll seine feminine Seite behalten – deshalb kein Cabernet, sondern Sangiovese oder Nerello mascalese.»

Ob Etiketten oder Karten für die Degustation – alles hat Stil beim gebürtigen Florentiner Carlo Ferrini, der sein Weingut nach den Vornamen seiner Eltern Giovanna und Donatello (Giodo) benannt hat. (Foto: Gian Marco Castelberg)

Letztgenannte Sorte hat natürlich in der Toskana nichts zu suchen. Ferrini betreut sie, ebenfalls unter eigener Verantwortung, am Ätna. Über 1,5 Hektaren verfügt er auf Sizilien, 950 Meter über dem Meeresspiegel, rund 80 Jahre alt sind die Reben. Rechnet man zu den kleinen Erträgen noch den Ausbau in Fässern von 500 bis 700 Litern hinzu, überrascht die Finesse der Weine nicht mehr. Nerello mascalese, die Sorte, die etwas ebenso Feines, Feminines besitzen kann wie der toskanische Sangiovese. Bei dem überliess Carlo Ferrini übrigens nichts dem Zufall. Nach der Übernahme des heute 16 Hektaren Land umfassenden Anwesens pflanzte er in Montalcino die richtigen Klone, akribisch ausgewählt für die steinigen Böden. Und so ist es nur logisch, dass auch das Brunello­Etikett der Toskana­sorte Nummer eins Reverenz erweist; ein die Weinwelt symbolisierender Kreis wird gestützt von einem stilisierten Männlein – mit dem nicht etwa Carlo Ferrini gemeint ist, sondern niemand anders als Sangiovese selbst.

Doch allein die Sorte kann es auch nicht sein. Carlo Ferrinis Brunello ist in vielen Jahren einer der besten, feinsten, elegantesten Vertreter der gesamten DOCG, weil der Mann weiss, wie es geht. Wenn andere Weine unter Überreife oder Überextraktion leiden, weil die Winzer zu ungeduldig, zu gierig oder zu faul sind, dann findet sich hier eine ganz unangestrengt wirkende Finesse – so etwa beim 2013er, der so wunderbar lang und präzise wirkt, oder beim dichten, komplexen 2010er. Und selbst der 2014er fasziniert, ein schwieriger Jahrgang, der ledig­lich 2500 statt um die 7000 Flaschen ermöglichte. Lieber Reduktion als Kompromiss: was sonst?
Ein paar Pläne hat der Chef, der bislang nicht an den Ruhestand denkt, allerdings schon noch. «In fünf Jahren bin ich 70», sagt Carlo Ferrini zum Schluss und lässt zur Feier des Tages eine Flasche Champagner öffnen. «Bis dahin will ich noch den Wein machen, der vielleicht nicht der beste sein mag, aber der mich am meisten berührt.»

SHORT FACTS
GIODO,
CARLO FERRIN

ADRESSE Località Poderino, I­53024 Montalcino
INTERNET www.giodo.it
INHABER Carlo und Bianca Ferrini
KELLERMEISTER Carlo Ferrini
GRÜNDUNG 2002
ERSTERJAHRGANG 2009
REBFLÄCHE 5,5 ha (Toskana), 1,5 ha (Sizilien)
REBSORTEN Sangiovese (Montalcino), Nerello mascalese (Ätna) PRODUKTION ab Weinlese 2015 etwa 26 000 Flaschen (Toskana und Sizilien)
FLYINGWINEMAKER Carlo Ferrini berät folgende Weingüter: San Leonardo, Le Corti/Principe Corsini, Castello di Fonterutoli, Brancaia, Barone Ricasoli, Petrolo, Poliziano, Nittardi, Tenuta degli Dei, Riecine, Sapaio, Masciarelli, Pollenza, Tasca d’Almerita, Castello del Terriccio, Talenti, Pietradolce, Valle Reale, Alessandro di Camporeale, Le Casematte

WEINE PODERE GIODO