Es wird immer interessant, sobald Weinverrückte verkosten und reden, erst recht, wenn es um spannende Projekte geht. Laurent Wunderli, zusammen mit seiner Frau Kremena Gründer von Eolis, ist einer von ihnen, Sepp Wimmer, Gastronom im Zürcher «Zunfthaus zur Waag», ein anderer. Wie mag sich der 2009er entwickelt haben, die Cuvée aus Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet franc? Wunderli scheint selbst nicht ganz sicher, zieht beim Abendessen im ersten Stock des Restaurants vorsichtig den Korken. Ein Wein aus jenem Jahr, in dem die Geschichte von Eolis richtig Fahrt aufnahm. Doch schämen muss sich an diesem Abend niemand, weder der Ausnahme-Gastronom mit Wein-Faible noch der Teilzeitzürcher aus der Romandie. Der Wein hat sich ausgezeichnet entwickelt, zeigt mürbe Tannine und Würze, vermittelt schon nach wenigen Schlucken, welches Potenzial der bulgarische Weinbau besitzt.

Die Wunderli-Brüder: Laurent Wunderli (links), der Bankier, gründete zusammen mit seiner Frau Kremena das Weingut Eolis Vineyards in Bulgarien; Marc Wunderli (rechts), der Weinexperte, setzte als Direktor der Domaine du Chêne im Chablais Massstäbe, mit Les Coteaux de l’Harmonie gründete er 2016 seinen eigenen Betrieb.(Foto: Gian Marco Castelberg)

Laurent Wunderli weiss es ja schon längst und ist immer wieder aufs Neue begeistert. 2005 habe er die Sache richtig angepackt, Eolis gegründet, erzählt der in Zürich aktive Banker, dessen Familie sich schon seit Ewigkeiten mit dem Rebbau befasst. Bereits der Grossvater war in der Waadt im Weinbusiness aktiv, die Wunderlis von heute tun es ihm nach. Neben Laurent auch Marc, der Bruder, doch das ist erst der zweite Teil der Geschichte. Der erste begann 1999. Weil Laurent Wunderlis Frau Kremena ihre Wurzeln in der Thrakischen Tiefebene hat, im Südosten Bulgariens, lag die Entscheidung nah, genau hier aktiv zu werden. Familieneigene Weinberge waren vorhanden, Kremenas Mutter wollte eines Tages wissen, ob es Interesse an den Reben gab. Die Grenze zu Griechenland liegt vor der Haustür, das türkische Edirne ist einen Katzensprung entfernt, das Schwarze Meer kann man als Tagesausflug einplanen. Doch die Anfänge waren leichter gedacht als in die Praxis umgesetzt. «Es hat lange gebraucht, um ein Stück Boden kaufen zu können», erinnert sich Laurent Wunderli. Und das trotz besten Beziehungen. «Meine Schwiegermutter hat mit 30 Leuten im Dorf verhandelt.» Dass es mühsam war, an Land zu kommen, könnte mit der Tradition, dürfte aber auch mit der Qualität der Anbauflächen zu tun gehabt haben. «Der Boden ist hervorragend», sagt Laurent Wunderli, der Neugierige und Konsequente, «wir haben ihn analysiert.» Viel Lehm, etwas Kies, am Fusse der Rhodopen, eines Gebirgszuges, der auf über 2000 Meter ansteigt. Eine Menge mediterraner Einflüsse sind vorhanden, aber auch kühle Nächte. «Im Sommer hat es bis zu 40 Grad», erklärt der Winzer, aber in den Nächten geht es auf 16 bis 18 Grad hinunter.» Die Winter mit bis zu minus 20 Grad gehören ebenfalls zu diesem Teil Europas. Und der Wind, der hier oft zu spüren ist und dazu beiträgt, die Trauben gesund zu erhalten. Eolis – der Name des Projektes nimmt ihn auf, den Wind, und fügt die Sonne hinzu.

«Im Sommer wird es bis zu 40 Grad heiss, aber in den Nächten geht es auf 16 bis 18 Grad hinunter»
Laurent Wunderli

Eolis-Weingärten am Fusse der Rhodopen, einem Gebirgszug im Süden von Bulgarien. (Foto: Thomir Iliev)
Reifer Cabernet franc in den malerischen Eolis-Weingärten. (Foto: Thomir Iliev)


Laurent Wunderli ahnte bald, was hier möglich ist. Wenn schon, dann richtig, sagte er sich und kelterte ab 2009 von zunächst drei Hektaren eine ganze Palette an Weinen. Vier Weiss-, vier Rotweinsorten hatte er ja angepflanzt, internationale. «Ich wollte mit etwas beginnen, was wir verstehen», sagt Wunderli. Sauvignon blanc zum Beispiel oder Merlot. In einem nächsten Schritt wurden 2018 weitere 5,5 Hektaren gepflanzt, diesmal auch mit Mavrud, der klassischen bulgarischen Rotweinsorte, auch mit dem im Westen Europas fast unbekannten Rubin. Bis der so weit ist, geerntet und ausgebaut zu werden, muss man sich mit dem begnügen, was auf dem Markt ist. Eine ganze Menge übrigens, denn Vielfalt stand von vornherein im Vordergrund. Viognier mit Ausbau im Holzfass ist ebenso im Programm wie der ausschliesslich im Stahl vinifizierte Gewürztraminer. Die Balance stimmt, die Fassaromatik ist nicht dominant, die Rotweine besitzen nicht nur Sortencharakteristik, sondern auch Eleganz und Frucht. Manchmal sogar eine Feinheit, die überrascht – wie beim Syrah, der sich so ganz anders präsentiert, als er dies täte, wäre er an der Rhône gekeltert worden oder in Südafrika: finessenreich, duftig, fast feingliedrig. Nichts für jedermann, ganz sicher etwas für Kenner wie Sepp Wimmer, den Zunftwirt aus Zürich. Oder für jene Neugierigen, die im auf bulgarische Weine spezialisierten Schweizer Weinhandel einkaufen und denen Qualität mehr wert ist, als es grosse Namen sind.

Laurent Wunderli bei der Weinlese in den Eolis Vineyards. (Foto: Thomir Iliev)


Weil man es aber erst mal schaffen muss, die vorhandenen Trauben in Weine wie diese umzuwandeln, muss auch ein guter Kellermeister her. Teil zwei der Geschichte über Eolis. Praktischerweise hat Laurent Wunderli einen Bruder, der sich auskennt mit der Weinbereitung. Marc Wunderli, der Waadtländer, ist nie ins Finanzbusiness gegangen, sondern dem Wein von Anfang an treu geblieben. Als Direktor der Domaine du Chêne setzte er im Chablais Massstäbe, gründete 2016 seinen eigenen Betrieb in Blonay. Les Coteaux de l’Harmonie hat sich nicht nur auf Chasselas spezialisiert, sondern arbeitet auch mit Pinot noir, Chardonnay, mit Merlot, Syrah oder Cabernet. Womit der Bogen zu Eolis geschlagen wäre. Was den Ausbau in Thrakien angeht, ist Marc Wunderli nämlich mit von der Partie. Nicht ständig vor Ort, aber stets involviert, wenn es um die Entscheidung für den Ausbau, die Zusammenstellung der Cuvées geht. Unzählige Muster müssen schon aus Bulgarien in die Schweiz transportiert worden sein, auf dass verkostet und zusammengestellt, geändert und entschieden werde. Auch jene Echantillons, die für den Wein namens Inspiration vorgesehen waren, wurden hin und her probiert. Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet franc sind drin, der Ausbau erfolgte für rund zehn Monate in französischen Barriques. Auch hier keine Spur von vordergründigen Holzaromen, keine Überreife, kein Alkoholüberschuss. Typisch Wunderli, typisch Eolis.

«Es hat lange gebraucht,
um ein Stück Boden kaufen zu können. Meine Schwiegermutter hat mit
30 Leuten im Dorf verhandelt»
Laurent Wunderli

Gut möglich, dass die nächsten Jahrgänge noch ein bisschen komplexer werden als das, was aus 2009 und 2012, aus 2014 oder 2015 auf dem Markt ist. Weil die Reben älter geworden sind, weil die Vielfalt der Sorten bald mehr Varianten bei der Zusammenstellung der Cuvées erlaubt. Aber auch deshalb, weil Kremena Wunderli nun in den Weinbergen nach biodynamischen Prinzipien arbeitet. Der Jahrgang 2016, bei dem ein verheerender Hagelsturm die jungen Triebe zerstörte, gab den Ausschlag, sich noch intensiver mit der Natur zu befassen. Seit dem Jahrgang 2017 nutzt Eolis auch die natürlichen Hefen: ein weiterer Baustein. Für die nächsten Jahre ist noch einiges zu erwarten von dem Familienbetrieb in der Thrakischen Tiefebene, von dem Winzer, der zwischen Zürich und Malko Gradishte hin und her pendelt. Und der im Laufe der Zeit erkannt hat, wie gut sich hier Cabernet franc präsentieren kann, eine Sorte, für die sich das Weingut mittlerweile den Status eines Geheimtipps erworben hat. Fehlt nur noch das eigene repräsentative Kellergebäude.

Vom 2009er ist noch etwas übrig, auch nach einer Stunde in der geöffneten Flasche hat der Wein nichts verloren, präsentiert sich charmant, fast jugendlich. Es gibt keinen Grund, so eine fein gereifte Rarität schnell auszutrinken. Am anderen Ende Europas wäre so was allerdings kaum zu verkaufen. «Man trinkt hier keinen Wein, der alt ist», schmunzelt Laurent Wunderli, der im Übrigen voll des Lobes ist für seine zweite Heimat. «Bulgarien hat sich in den letzten 15 Jahren sehr entwickelt.» Und die Leidenschaft für die gereiften Spezialitäten, die wird auch dank Winzern wie Laurent, Kremena und Marc Wunderli schon irgendwann folgen.

SHORT FACTS
EOLIS VINEYARDS

ADRESSE 6558 Malko Gradishte, Haskovo District, Bulgarien
FON +41 788 53 21 01, +359 888 86 64 84
INTERNET www.wunderli-vins.ch, www.eolisestate.com
INHABER Laurent und Kremena Wunderli
KELLERMEISTER Marc Wunderli und bulgarische Berater
GRÜNDUNG 2005
REBLAND 8,5 Hektaren
PRODUKTION ca. 10000 Fla- schen
REBSORTEN Viognier, Gewürztraminer, Sauvignon blanc, Sémillon (weiss), Merlot, Cabernet franc, Syrah, Cabernet Sauvignon (rot); seit 2018 auch Mavrud, Grenache, Rubin

WEINE EOLIS

WEINE LES COTEAUX DE L’HARONIE