«Das Gebiet ist vom Klima her vergleichbar mit dem in Nordkalifornien oder Apulien. Bestens geeignet für die optimale Reife der Sorten Syrah oder Cabernet Sauvignon»

«Als ich eingetroffen bin in Spanien, konnte ich gerade mal olé und hola sagen», erinnert sich Martin Rüegsegger an die ersten Abenteuermonate im Süden. Ein Sprung ins kalte Wasser, der mitnichten von langer Hand geplant war. Zu der Aufgabe als Betriebsleiter und Weinmacher des Weinguts Finca Casa Lo Alto war der Solothurner nämlich eher zufällig gekommen. Nach zwölf Jahren Tätigkeit als Leiter und Önologe der damaligen Domaine Zweifel (Eigenbau und -produktion bei Zweifel Weine Zürich), kam der Wechsel in die Region Utiel-Requena wie gerufen – nicht der Sprache wegen, sondern weil auf der Finca Entscheidungen anstanden. «Ich bin ein Mann der Praxis, jedoch mit wissenschaftlichem Hintergrund», lächelt Rüegsegger. Was in diesem Falle wörtlichst gemeint war, denn anpacken musste der Neuankömmling, der sich sein Spanisch nach und nach, erst radebrechend, dann sprechend beibrachte, nicht zu knapp. Mit Geschichte und Tradition konnte die hochgelegene Finca, erwähnt bereits im späten 18. Jahrhundert, zwar prunken, doch mit den Weinbergen und der notwendigen Technik sah es düster aus. Von 2004 bis 2006 machte die Arbeit im Süden nur einen Teil von Rüegseggers Aufgaben aus, ab 2006 kümmerte er sich ganz darum, die Finca aufzubauen. «Wir hatten keinen richtigen Keller», erinnert sich Rüegsegger an die Anfangszeit. Vinifiziert wurde zu jener Zeit in einem gehörigen Masse im Freien, auch bei den Weinbergen war nicht alles auf dem neuesten Stand der Rebbaukunde. Gut, dass Martin Rüegsegger nicht alles Notwendige selbst finanzieren musste. Die Finca gehörte seit dem Jahr 2000 zur Getränke vertreibenden Firma Haecky Import AG, und dass hier Investitionen in erheblichem Umfang vorzunehmen waren, dürfte allen Verantwortlichen klar gewesen sein. Tatsächlich zog der neue Chef die Sache konsequent auf. «Als ich ankam, habe ich zunächst versucht, eine Grundlage für eine optimierte Vinifikation herzustellen.» Also erst mal Boden unter die Füsse bekommen, ein Gebäude für Fässer und Tanks bauen und die Voraussetzungen für künftige Erfolge schaffen. 2006 wurde die neue Bodega eröffnet, gut und gern 700 Quadratmeter, ausreichend Platz für die Produktion, in der bald auch eine neue Tankpresse und neue Filtertechnik zum Einsatz kamen. Dazu Barriques, deren Anzahl inzwischen auf knapp 300 angestiegen ist. Schritt zwei betraf die Reben, denen mit Drahtrahmen und Neuanpflanzungen unter die Arme gegriffen wurde. Und Schritt drei verbesserte die Böden der Weinberge. «Wir haben restrukturiert und beispielsweise Einsaaten gemacht», erzählt Martin Rüegsegger, «und wir sind bereits vor vier Jahren dazu übergegangen, das geschnittene Holz zu schreddern und im Weinberg zu belassen.» Inzwischen sind viele Etappenziele erreicht. Apropos Weinberge. Die sind auf der Finca von ganz besonderem Charakter. Etwa 660 Meter über dem Meeresspiegel liegen die Reben, ein Hochplateau, etwa 80 Kilometer von Valencia entfernt. «Das Gebiet ist vom Klima her vergleichbar mit dem in Nordkalifornien oder Apulien», sagt Rüegsegger, «bestens geeignet für die optimale Reife der Sorten Syrah oder Cabernet Sauvignon.» Weil die Niederschläge zum grossen Teil in den umliegenden Bergen abregnen, muss man sich auch um die Gesundheit der Beeren keine dramatischen Gedanken machen. Ums Wasser schon: Noch immer ist zwar die Hälfte der Rebfläche im klassischen, niedrigen und wassersparenden Gobelet-System angelegt, doch die erstellten Drahtrahmenanlagen sind bewässerbar, zwei neue Brunnen wurden gebohrt. «Deficit irrigation ist ein Muss», betont Martin Rüegsegger, der seine Reben zusammen mit Rebbaumeister Cristóbal Ruiz nicht verwöhnen, sondern nur behutsam unterstützen will. In Zeiten des Klimawandels ohnehin die Hauptaufgabe, zusammen mit der akkuraten Auswahl der richtigen Sorten und Klone. Kleinbeerig sollten die sein, ertragsstark allerdings nicht, mehr als viereinhalb Tonnen Traubenmaterial pro Hektare sind nicht gewünscht. Zumal sich der Lesetermin immer weiter verschoben hat. Erntete man in den Achtzigern und Neunzigern in der Regel noch im Oktober, beginnt man heute schon Mitte bis Ende August mit Chardonnay, startet bald darauf mit den roten Sorten. «Im September ist in frühen Jahren die gesamte Ernte schon beendet.» Herausforderungen, auf die man sich einstellen muss. Auch beim Chardonnay, der nicht gerade schlank ausfällt, aber trotzdem überzeugt. Unter der Voraussetzung natürlich, dass alles stimmt bei der Lese, dass Überreife vermieden und die kaum je starke Säure nicht durch einen zusätzlichen Abbau reduziert wird. «Wenn wir hohen Alkohol haben, eine adäquate Säure und vor allem genügend Extrakt, dann erscheinen die Weine dicht und ausgewogen », erläutert Önologe Rüegsegger. Der Casa Weisswein wird also aus verschiedenen Chardonnay-Klonen per Ganztraubenpressung erzeugt, in französischen Barriques vergoren und gelagert, der Aromen und des Mundgefühls wegen wöchentlich der Batonnage unterzogen. Doch übertreiben will man es auf Casa Lo Alto nicht mit dem Weissen. «Diese Region ist definitiv eine Rotweingegend », sagt Rüegsegger. War sie immer. Eine, in der lange Bobal dominierte, eine autochthone Sorte, die vor allem für einfache, unaufdringliche Abfüllungen gut war; Spötter bezeichnen sie auch als Ausgangsmaterial für Massenware. Von Anfang an war klar, dass man auf der Finca festhalten wollte am Klassiker. «Don Martin» nennt sich die Cuvée aus Bobal und einem 20-Prozent- Anteil Garnacha: ein süffiger Einstieg in die Welt der Casa-Lo-Alto-Weine. Ein Teil des «Don Martin» darf nach vorherigem Ausbau in Stahltanks noch eine Weile in Fässern aus französischer oder amerikanischer Eiche verbringen. Für die Crianza- und Reserva-Qualitäten ist die Délestage – behutsames Entfernen von störenden Tanninen durch den Austrag von Kernen sowie tägliches Überschwallen des Saftes über den Traubentrester – Grundlage der Vinifikation. Die Reserva reift für zwölf Monate im Barrique, profitiert von 50 Prozent neuem Holz und ist eine Assemblage aus der Hauptsorte Syrah, aus Garnacha und Cabernet Sauvignon. Syrah und Cabernet Sauvignon beeindrucken übrigens mit immer besserem Traubenmaterial. «Die Neuanlagen kommen jetzt ins siebte Jahr und die Trauben erhalten immer mehr Substanz.» Substanz weisen auch die Neuheiten auf. Erstens Malbec, 2010 und 2011 gepflanzt. «Nur einige Zeilen», stapelt der Chef tief. Man muss ja nicht gleich das Kind mit dem Bade ausschütten, sondern erst schauen, wie sich die aus Argentinien bekannte Sorte mit den herrschenden Verhältnissen anfreundet. Das Klima wäre im Prinzip passend, mit heissen Sommern kann die Sorte umgehen. Ob sie demnächst in grösserem Stil ausgepflanzt wird, muss sich aber noch erweisen, die Krankheitsanfälligkeit ist nicht zu unterschätzen. «Im Moment sammle ich noch Erfahrungen», so Rüegsegger. Die gibt es schon für hochklassigen Bobal – nicht als Alltagswein gedacht, sondern als Premiumprodukt. «Autochthone Sorten zu bewahren und ihr Potenzial bekannt zu machen, kann ein besonderes Merkmal für eine Bodega sein, kann das Weingut speziell profilieren», schwärmt Rüegsegger. Noch in diesem Jahr wird der erste Bobal der Finca Casa Lo Alto in den Handel kommen, als kraftvoller Spitzenwein aus top reifen Trauben von über 50-jährigen Reben, über zwölf Monate in drei verschiedenen Barriquetypen ausgebaut. Das Ergebnis spricht drastisch für zukünftige autochthone Mühen.

WEINE CASA LO ALTO


Die Geschichte der hochgelegenen Finca Casa Lo Alto lässt sich bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen. Erstmals erwähnt wurde sie 1796.

Die Geschichte der hochgelegenen Finca Casa Lo Alto lässt sich bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen. Erstmals erwähnt wurde sie 1796.

SHORT FACTS
FINCA CASA LO ALTO

ADRESSE 46310 Venta del Moro (Valencia)
FON +34 962 13 91 01 und +34 672 54 05 46
INTERNET www.casa-lo-alto.es
INHABER Haecky Import AG (Reinach BL)
BETRIEBSLEITER UND ÖNOLOGE Martin Rüegsegger
GRÜNDUNG unbekannt, erste Erwähnung 1796
ÜBERNAHME 2000
REBFLÄCHE 69 Hektaren, davon aktuell 58 bewirtschaftet
REBSORTEN Chardonnay (weiss), Bobal, Garnacha, Tempranillo, Syrah,
Cabernet Sauvignon, Malbec (rot)