«Wow!», so entfuhr es Andreas Stössel, als er zum ersten Mal den Höcklistein in seiner ganzen Grösse vor sich sah. Das war 2011.

Der Stadtzürcher hatte die letzten zwanzig Jahre im Gebiet des Chianti Classico verbracht und war dort unter anderem als Önologe für die Fattoria Valtellina und die Villa Trasqua tätig. Zusammen mit seiner aus Nürnberg stammenden Frau Ina und Sohn David kehrte er zurück, nahm Wohnsitz in Konstanz am Bodensee und erfuhr über ein Zeitungsinserat, dass Thomas Schmidheiny einen Önologen für seine Weingüter in Heerbrugg und Rapperswil-Jona sucht.

Dass Roger Federer am See und nicht am Höcklistein baut, ist ein kleines Wunder, denn die Lage über der Kempratner Bucht ist vom Allerfeinsten

Nun stand Stössel also auf der Terrasse des Rebhauses, blickte auf die Kempratner Bucht und auf die Silhouette des Städtchens Rapperswil mit Kirche und Schloss, und vor ihm und auch hinter und rechts und links von ihm reihte sich Parzelle an Parzelle, in ihrer Gesamtheit als Höcklistein bekannt. Es war Liebe auf den ersten Blick.

Dass Roger Federer am See und nicht am Höcklistein baut, ist ein kleines Wunder, denn die Lage über der Kempratner Bucht mit Schlossblick ist vom Allerfeinsten. 17 Parteien partizipieren an den rund 10 Hektaren, ein Fünftel daran hält die Gemeinde. Begehrlichkeiten, das Rebland in Bauland umzuzonen, tauchten immer wieder auf und erhielten Aufschwung durch Misswirtschaft.

Die in Wädenswil ansässige Obst- und Weinbaugenossenschaft (OWG) war langjährige Pächterin des Höcklisteins. Als die Genossenschaft in finanzielle Schwierigkeiten geriet, wurde der Weinbaubetrieb verselbständigt und die OWG AG gegründet. 2002 übernahmen Bataillard, Provins und Cottinelli die OWG AG, doch ihre Tätigkeit am Höcklistein war nur von kurzer Dauer. Bereits nach Jahren übernahm die Genossenschaft Uvavins mit Sitz in Tolochenaz, Kanton Waadt, die Pacht am Höcklistein. Man erhoffte sich mittels eigener Zürichseeweine eine verstärkte Präsenz im regionalen Weinmarkt. Die Ernte wurde an die La Côte gefahren und dort von Kellermeister Rodrigo Banto verarbeitet. Der chilenisch-schweizerische Doppelbürger bewies dabei ein gutes Händchen. Alles in allem erwies sich aber die Bewirtschaftung des Höcklisteins für die Waadtländer als zu aufwendig und kommerziell vermutlich auch zu wenig wirksam, so dass sie nach einem peinlichen und kostspieligen Zwischenfall den Rückzug antraten: Im Herbst 2008 rissen unter dem Gewicht von früher gefallenem Schnee die noch nicht abmontierten Vogelnetze reihenweise Rebstöcke zu Boden. Was nun? Die Gemeinde ging auf Thomas Schmidheiny zu, er wohnt im Gebiet Gubel-Fuchsberg, also am Fusse des Höcklisteins. Unter der Bedingung, dass alle 17 Parteien Pachtverträge eingingen, war er bereit, sich zu engagieren. Die Vereinbarung kam zustande und so konnte die Ernte 2009 erstmals in Schmidheinys Weingut in Heerbrugg verarbeitet werden.

Aus der Geschichte wissen wir, dass die Rapperswiler Familie Rickenmann seit dem 17. Jahrhundert Weinbau am Höcklistein betrieb. Überall auf dem Gemeindeboden von Jona, der das Städtchen umgibt, florierte der Anbau; die grösste bekannte Ausdehnung betrug 86 Hektaren. Diese Fläche nahm Ende des 19. Jahrhunderts drastisch ab: einerseits durch das Auftauchen der Reblaus und der Krankheiten des Echten und Falschen Mehltaus, andererseits durch die Eröffnung des Gotthardtunnels, durch den billige Weine aus Italien importiert wurden. Sie setzten auch den Gewächsen vom Zürichsee arg zu. 1909 verkaufte Berthold Rickenmann das Fachwerk-Bauernhaus, das über dem Höcklistein thront, an die Familie von Schulthess. Sie gab den Rebbau 1912 mangels Rendite auf und die Flächen waren fortan Viehhaltung und Obstbau vorenthalten.

In der Zeit der Hochkonjunktur, die in den 1960er- Jahren einsetzte, wurden entlang der links- und rechtsseitigen Ufer hervorragende Parzellen (Steillagen mit Seesicht) Stück für Stück verbaut. Die Folgen bekam auch die in Wädenswil ansässige Obst- und Weinbaugenossenschaft (OWG) zu spüren. Die ihr von den Genossen angebotenen Traubenmengen wurden immer kleiner – bei steigender Nachfrage für Gewächse mit lokalem Charakter! Die Wädenswiler begannen die Fühler nach attraktiven Lagen auszustrecken und wurden auf der anderen Seeseite fündig, in der Kempratner Bucht. Am 1. April 1967 begann die Pacht der OWG über den 7 Hektaren umfassenden Vieh- und Obstbaubetrieb. Zwischen 1968 und 1972 wurde das Gebiet am Höcklistein umgestaltet. Die Querterrassierung, wie sie heute das Bild prägt, war in ihrer Form eine Pionierleistung am Zürichsee, die weit über das Gebiet hinaus Interesse und Anerkennung fand.

Bevor Andreas Stössel ins Spiel kam, zeichnete sich der Höcklistein durch eine besonders hohe Sortenvielfalt aus. Rund die Hälfte der Fläche war mit Blauburgunder bestockt, ein Viertel mit Riesling-Silvaner, den Rest teilten sich Räuschling, Chardonnay, Pinot gris, Sauvignon blanc, Merlot, Cabernet Sauvignon, Garanoir und Dakapo – es herrschte eine gewisse Beliebigkeit. Andreas Stössel erhielt Carte blanche, um eine Profilierung voranzutreiben. Räuschling als lokale Spezialität war gesetzt, Sauvignon blanc als beliebter Weisswein ebenfalls. Die kalkhaltigen Mergelböden bieten sich für Chardonnay und Pinot noir an und eine Parzelle mit 43 Prozent Lehmanteil für Merlot, eine Sorte, die Stössel in der Toskana ans Herz gewachsen ist und mit der er sich offensichtlich ganz besonders gut versteht.

Aufgrund von Mikrovinifikationen, mit denen er Gärungen mit Maischekontakt ausprobierte, entdeckte er die unterschiedlichen Charaktere der Kleinlagen. Dies mündete in ein System, das sich am Burgund orientiert. Die Linie «Tradition» steht für einen gebiets- oder gemeindetypischen Wein, «Höcklistein» für einen Premier Cru, die Abfüllungen Paradies, Äfenrain und Egg für Grand Cru. Alles in allem sind heute 70 Prozent der Produktion Weissweine.

WEINE HÖCKLISTEIN

BACHMANN IN STÄFA

WEINKELLEREI AM SEE