Man merkt nicht gleich, wenn Louis-Philippe Bovard ins Schwärmen kommt. Der zurückhaltende Grandseigneur des Waadtländer Weinbaus neigt eher zum Understatement. Wer ihn aber einmal reifen Chasselas aus der Prestigelage des Lac Léman hat ausschenken sehen, begreift rasch. «Der junge Wein transformiert sich und erhält nach sechs bis acht Jahren einen anderen Charakter», sagt Louis-Philippe Bovard. Kaum jemand hat mehr dafür getan, die Qualität des Dézaley im Besonderen und des WaadtLänder Weins im Allgemeinen derart zu verbessern.

Bovards Arbeit beruht auf drei Säulen: Kooperation, Forschung und Reifung. Also hat er für eine produktive Zusammenarbeit der Winzer gesorgt, hat massgeblich ein Projekt der Erforschung unterschiedlichster Klone vorangetrieben. Nur zaubern kann er nicht. Weshalb selbst vielen Schweizern und fast allen ausländischen Weintrinkern noch nicht klar ist, wie gut gereifter Chasselas zum Essen passt, wie langlebig die anderswo in der Welt als Grundlage für einfachen Zechwein geltende Sorte sein kann.

Laut Bovard nehmen Dézaleys im Alter von 8 oder 10 bis zu 20 oder gar 30 Jahren sekundäre Aromen an. Honig und Trockenfrüchte, Haselnüsse und Mandeln, Quitten und gedörrte Aprikosen. «Diese Weine ähneln dann einem Marsanne respektive Ermitage aus dem Rhônetal.» Am eigenen Gaumen erfahren werden diese Transformation allerdings nur die wenigsten, denn weder bei den Händlern noch bei den Winzern sind im Regelfall ältere Weine erhältlich – die Domaine Bovard, die immer mal wieder Verkostungen von Raritäten anbietet, ist eine Ausnahme.

Bei manchen Dézaleys hat man darüber hinaus den Eindruck, dass sie unter ihren Möglichkeiten bleiben – was Vinifikation und Ausstattung der Flaschen angeht, die Preise sind für einen internationalen Spitzenwein niedrig. Zumindest in Sachen Potenzial ist den Dézaleys der letzten Jahre nicht das Geringste vorzuwerfen, auch die 2016er überzeugen voll. Die Mostgewichte sind nicht zu hoch, was die Balance störte, die Säure fällt auch nach der malolaktischen Gärung animierend aus. Wer sich durchs Angebot der besten Dézaleys verkostet, entdeckt sogar unterschiedliche Stilrichtungen.

«Der junge Wein transformiert sich. Nach sechs bis acht Jahren bekommt der Dézaley einen anderen Charakter»
Louis-Philippe Bovard, Winzer

 

2016 DÉZALEY GRAND CRU LA MÉDINETTE
Domaine Louis Bovard
Cully
Eher verhaltene Frucht, leicht mineralisch, fest, straff, nach einer halben Stunde in der Karaffe aufblühend, kraftvoll, dicht, gewinnt immer mehr.
18/20 2019–2032

www.domainebovard.com

2016 DÉZALEY GRAND CRU CORNICHE 
Domaine Blaise Duboux
Epesses
Zunächst etwas verhalten, was auch an den Phenolen des Korkens liegen könnte, dann klar Apfel, eher kühl, frische Aprikose, Anklänge an gelbe Melone. Im Mund schlank, saftig, feine Säure, nicht allzu viel Druck, aber Biss, gute Struktur.
17/20 trinken –2028

www.blaiseduboux.ch

2016 DÉZALEY GRAND CRU LES EMBLEYRES 
Les Fils Rogivue
Chexbres
Ganz leicht laktische Note, Kräuter. Im Mund gewisse Fülle, eher traditioneller Stil, recht fest, kompakter Eindruck im Nachhall, verhaltene Säure.
16/20 trinken –2028

www.rogivue.ch

2016 DÉZALEY GRAND CRU
Pierre-Luc Leyvraz
Chexbres
Kühle, milde Frucht, Frühlingswiese, Anklänge an Tomaten. Im Mund üppig mit beinah süss wirkender Frucht, viel Schmelz, Hauch CO2, saftig, viel Würze, eigenständiger Stil.
18/20 trinken –2029

www.leyvraz-vins.ch

2016 DÉZALEY GRAND CRU
Jean-François Neyroud-Fonjallaz
Chardonne
Frisch, duftig, etwas CO2, ganz leicht laktische Noten, Anklänge an helles Caramel. Im Mund balanciert, frisch, feingliedrig, nachhaltig, sehr präzise, Hauch Zitrus und winzige Bitternote im Nachhall, eigenständige Stilistik.
17/20 trinken –2027

www.neyroud.ch

2016 DÉZALEY GRAND CRU LES CÔTES-DESSUS
Pierre Monachon
Rivaz
ausverkauft
Offene Nase, leicht nussige Anklänge. Im Mund überraschend komplex, saftig, trocken, mineralisch, überdurchschnittliche Würze, lang, sich erst allmählich zeigend.
18/20 trinken –2029

www.domainemonachon.ch

2016 DÉZALEY GRAND CRU CLOS DES MOINES
Ville de Lausanne
Lausanne
Offene, vielschichtige, verführerische Nase, leicht steinige Noten, aber auch frische Birne, Kräuter, ein Hauch Steinobst. Saftiger, straffer, kompetent vinifizierter Wein ohne übertriebene Fülle, lagerfähig.
17/20 trinken –2027

2016 DÉZALEY GRAND CRU CHEMIN DE FER
Luc Massy
Epesses
Offene Nase, fruchtig, Aprikose, Apfel, ein Hauch von Kampfer im Hintergrund. Mundfüllend, saftig, mit fast fleischiger Würze, schöne Säure, steinige Würze, lang.
18/20 trinken –2030

www.massy-vins.ch

2016 DÉZALEY GRAND CRU L’ARBALÈTE
Testuz
Vevey
Offene Frucht, duftig, geriebener Stein, daneben Blüten. Kraftvoller, würziger, recht fülliger Wein mit angemessener Säure und Substanz, eher rund im Nachhall, dürfte sich noch entwickeln.
17/20 trinken –2027

www.testuz.ch