Im Jahr 1976 brachte ein Tasting in Paris den Durchbruch für hochwertigen US-Wein. 42 Jahre später wurde der Wettkampf zwischen amerikanischen und französischen Crus in Basel wiederholt. Es wurde spannend wie beim Fussball.

Als vor ziemlich genau 42 Jahren die Ergebnisse des Judgment of Paris verkündet wurden, der berühmtesten Weinverkostung aller Zeiten, waren die Reaktionen gespalten. Anwesende Juroren von Rang sollen sich ge­ wundert, beschwert, gar ihre Notizen zurückverlangt haben. Gewonnen hatten am 24. Mai 1976, bei einem Wettstreit kalifornischer und franzö­sischer Weine, nämlich die Amerikaner. Ein Chardonnay von Chateau Montelena des Jahrgangs 1973 bei den Weissen, ein Stag’s Leap aus glei­chem Jahrgang bei den Roten. Es war also eingetreten, was die fast aus­ schliesslich französischen Verkoster nicht im entferntesten einkalkuliert hatten: dass die legendären Namen aus Bordeaux und Burgund von ein paar Emporkömmlingen aus der Ferne geschlagen wurden. Ein Sakrileg, das der Herausgeberin der «Revue du vin de France» angeblich der­massen auf den Magen schlug, dass sie nicht mehr mit dem britischen Probenorganisator Steven Spurrier geredet haben soll.

Die Bedeutung des Judgment of Paris, auch als Paris Wine Tasting berühmt geworden, kann kaum überschätzt werden, denn nun war quasi offiziell bestätigt – wenn auch nur in Form einer Momentaufnahme –, dass die Neue Welt der Alten das Wasser reichen konnte. Da und dort wurde die Sache in der Folgezeit wiederholt, im Mai 2018 auch in Basel. Warum nicht schauen, wie sich die Sache entwickelt hat, sagten sich die Verantwortlichen des Restaurants «LA» und begannen mit der Orga­nisation. Wobei sich eine exakte Kopie schon deshalb verbot, weil die wenigen noch existierenden Flaschen des 1973er Monte­lena heute zu fünfstelligen Preisen gehandelt werden.
Kann ja niemand finanzieren!

Doch das Restaurant hatte Alternativen aufgetrieben und die Sache sogar weiter gefasst als anno 1976. Schaum­wein bereicherte das Repertoire, neben Kalifornien war auch Washington zugelassen, und im dunklen Segment durfte es statt Cabernet Sauvignon (wie einst) auch Syrah sein. Umso grösser war die Spannung. Würden es wieder die Übersee­-Weine packen? Waren die Franzosen in jener Form, die Niederlage von einst wegzustecken?

Beim Flight 1 war die Sache eindeutig. Der Schrams­berg Blanc de blancs besass Würze und Kraft, konnte aber nicht mit dem feinen, eleganten, duftigen Champagner von Larmandier­-Bernier mithalten; eine erfrischende Vorspeise aus grünem Spargel und Erdbeeren trug den sommerlichen Temperaturen Rechnung.

Der pochierte Hummerschwanz mit Mais war danach wie gemacht, um zu Chardonnay serviert zu werden, doch hatte der Pride aus Kalifornien keine Chance gegen seinen Gegner. Frankreich konnte im Flight 2 seine Führung mit dem Beaune Clos des Mouches von Joseph Drouhin ausbauen: 2:0! Doch welcher war der Amerikaner, welcher der Franzose? Gar nicht so einfach!

Noch war übrigens nicht aller Tage Abend, denn kurz vor der Halbzeit konnten die Amerikaner den Anschlusstreffer erzielen – und das zu einem eher asiatisch inspirierten Gericht aus Wolfsbarsch, Lachs, Sushi-­Reis und fermentierten Radieschen. Der 2015er Puligny­-Montrachet von Anne-­Claude Leflaive musste sich im Flight 3 dem kraftvollen, sehr präsenten Chateau Montelena des Jahrgangs 2014 geschlagen geben. Alle Anwesenden zollten dem kalifornischen Weingut Hochachtung, hatte es doch nicht nur das originale Paris Wine Tasting gewonnen, sondern seine Form über 42 Jahre konserviert. Es stand plötzlich nur noch 2:1 für die Grande Nation.

Flight 4 konnte schon die Entscheidung bringen, und das auf hohem Niveau. Es standen nämlich zwei Weine im Ring, die schon 1976 mit von der Partie waren. Der Château Montrose, einer der namhaftesten Bordeaux, und der legendäre Monte Bello von Ridge – beide aus dem Jahrgang 2012. Auf dem Papier ein Kampf auf Augenhöhe, der von Rindstatar, geräucher­tem Markbein und Grünkern sanft untermalt wurde. Sollte Frankreich schon vorzeitig gewinnen? Würde Übersee nochmals aufholen können? Das Ergebnis war verblüffend eindeutig, denn der Montrose zeigte sich ausser Form. Leicht laktisch in der Nase, ohne Komplexität, uncharmant. Ein braver Rotwein, der nicht ansatzweise an den saftigen, festen Ridge herankam, welcher alles zeigte, was man von einem grossen Kalifornier erwartet: satte Fruchtnoten von schwarzen Beeren, schöne Säure, Länge. 2:2! Eine Sensation lag in der Luft, und die nächste Paarung musste die Entscheidung bringen. Verlän­gerung sozusagen. Lammgigot mit Minze und mariniertem Blumenkohl wurde serviert, dazu ein Royal City Syrah aus Washington State und der Le Vieux Télégraphe von der südlichen Rhône. Der eine Syrah in purezza, der andere eine Mischung aus allerlei Rebsorten, wie es in Châteauneuf­ du­ Pape an der Tagesordnung ist. Minutenlang kämpften die beiden miteinander – hier der seidige Amerikaner aus dem kühlen Staat Washington, dort der kraftvolle, aber nicht übertrieben üppige Wein von der südlichen Rhône. Die Entscheidung fiel per Mehrheitsbeschluss, der Télé­graphe gewann, der Royal City wurde ehrenvoller Zweiter. Frankreich hatte sich knapp, aber verdient durchgesetzt.

Hätte das Restaurant «LA» den Wettkampf auch aufs Dessert erweitert – was sinnvollerweise vermieden wurde –, wäre das Ergebnis wohl noch deutlicher aus­ gefallen. Süssweine sind schliesslich das einzige Segment, in dem sich die USA bislang nicht ernsthaft mit der Alten Welt messen können. Eigentlich schade!

1. FLIGHT
Grüner Spargel, Erdbeeren-Gazpacho-Sorbet

10:

BLANC DE BLANCS 2014
SCHRAMSBERG
NAPA VALLEY

17

BLANC DE BLANCS, LATITUDE EXTRA BRUT
LARMANDIER-BERNET

2014 BLANC DE BLANCS
Schramsberg,
Calistoga, USA
100 % Chardonnay
Zunächst ganz leicht reduktiv, dann Noten von Hefe, Baumnüsse, etwas Kräuter, offen und direkt. Im Mund kompakt, kraftvoll, insgesamt eher rustikal, gute Länge.
17/20 trinken –2020

BLANC DE BLANCS LATIDTUDE EXTRA BRUT
Larmandier-Bernier
Vertus, Frankreich
100 % Chardonnay
Klar, aber etwas verhalten, später feine Kernobstfrucht, ganz leicht Hefe, Kräuter, Hauch Dörrobst. Insgesamt fein, klar, elegant mit weinig-fruchtigem Nachhall, nicht extrem lang, aber sehr gut balanciert.
18/20 trinken –2022

2. FLIGHT
Pochierter Hummerschwanz, Bisque, Maisflan, Popcorn

09:

PRIDE CHARDONNAY 2016
SPRING MOUNTAIN
NAPA VALLEY

18

BEAUNE CLOS DES MOUCHES
BLANC 2015 1er CRU
J. DROUHIN, BURGUND

2016 CHARDONNAY
Pride Mountain Vineyards
St. Helena, USA
100 % Chardonnay
Leicht parfümierte, offene Frucht, Apfel, Toast mit etwas Honig, etwas Butterscotch und Vanille, sortentypisch. Im Mund klar, straff, saftig, gute Balance und Würze, feine Säure, gute Länge.
17/20 trinken –2026

2015 BEAUNE CLOS DES MOUCHES BLANC 1er CRU
Joseph Drouhin 
Beaune, Frankreich
100 % Chardonnay
Klare, feine Frucht, Birne, etwas Getreide und ein Hauch Vanille, später auch florale Noten. Eleganter Wein aus einem warmen Jahrgang mit dennoch sehr feiner Säure, salzige Frucht, gut eingebundene Tannine, ein Hauch Vanille im langen Nachhall, viel Potenzial, nahe an 19 Punkten.
18/20 trinken –2030

3. FLIGHT
Wolfsbarsch-&-Lachs-Bauchlappen, fermentierte Radieschen, Sushi-Reis

16:

CHATEAU MONTELENA
CHARDONNAY 2015
NAPA VALLEY

11

PULIGNY-MONTRACHET AC 2015
ANNE C. LEFLAIVE
BURGUND

2014 CHARDONNAY
Chateau Montelena
Calistoga, USA
100 % Chardonnay
Ein Hauch von Vanille, dann immer mehr Ananas, gelbe Melone, eine Spur Spargel, ganz leicht cremig. Im Mund offen, frisch, feine Frucht, leichte Gemüsenoten, schöne Säure, Holz im Hintergrund bleibend, ganz leicht Vanille, salzig, etwas rauer Nachhall, beachtliche Länge.
18/20 trinken –2027
2015 PULIGNY-MONTRACHET
Domaine Leflaive
Puligny-Montrachet, Frankreich
100 % Chardonnay
Klare Frucht, sortentypisch, leicht cremig mit Noten von Apfel und frischem Getreide, etwas Zitrus, leicht cremig. Im Mund süffig, fest, elegant. Ein kompakter Chardonnay mit festem Nachhall, nicht extrem lang, aber sehr gut gemacht.
17/20 trinken –2026

4. FLIGHT
Rindstatar, geräuchertes Markbein, Grünkern

20:

RIDGE MONTEBELLO 2012
MAGNUM
CALIFORNIA

07

CHÂTEAU MONTROSE 2012
ST-ESTÈPHE
BORDEAUX

2012 MONTE BELLO
Ridge Vineyards
Cupertino, USA
64 % Cabernet Sauvignon, 22 % Merlot, 8 % Cabernet franc, 6 % Petit Verdot
Attraktive, sehr präsente Frucht, Beerensaft, Blaubeeren, schwarze Kirschen, daneben etwas Gewürze, ein winziger Hauch von Hustensaft, dezent röstige Würze, auch Kaffee.
Sehr saftige, klare, feine Säure, etwas Gewürze, lang, aber auch vibrierend, sehr gelungen.
19/20 trinken –2030
2012 CHÂTEAU MONTROSE
Saint-Estèphe, Frankreich
57 % Cabernet Sauvignon, 37 % Merlot, 5 % Cabernet franc, 1 % Petit Verdot
Leicht cremig, rauchig mit Anklängen an kalte Asche, Zwetschgen, Brombeeren. Im Mund kühle Frucht, leicht grün wirkende Tannine, fest, aber insgesamt enttäuschend, guter Nachhall, etwas trocknend.
16/20 trinken –2024

5. FLIGHT
Lammgigot, Pfefferminze, roh marinierter Blumenkohl

10:

ROYAL CITY SYRAH 2014
K VINTNERS (CHARLES SMITH)
WASHINGTON STATE

17

LE VIEUX TÉLÉGRAPHE 2014
CHÂTEAUNEUF-DU-PAPE
SÜDLICHE RHÔNE

2014 ROYAL CITY SYRAH
K Vintners
Walla Walla, USA
100 % Syrah
Feine Frucht, eher kühl mit Anklängen an Lakritz, Himbeergelee und Brombeeren, auch schwarze Oliven. Saftiger, dichter, dabei ganz und gar eleganter Wein, dicht, mit animierender Säure und Noten von Himbeeren, dazu erdige Würze im langen Abgang.
18/20 2019–2028
2014 LE VIEUX TÉLÉGRAPHE CHÂTEAUNEUF-DU-PAPE
Domaine du Vieux Télégraphe
Bédarrides, Frankreich
Assemblage aus Grenache, Mourvèdre, Syrah, Cinsault, Clairette und anderen Sorten Klare, aber feine Frucht, schwarze Beeren, süsse Gewürze, Süsskirschen, Pfeffer, leicht floral, erdig. Im Mund fest, mit knackiger Säure, straffer Art, pfefferiger Würze, im Nachhall Noten von Brombeeren und Gewürzen, mineralisch und lang.
18/20 2019–2029