John Dunkley ist immer noch präsent in dem von ihm gegründeten Weingut Riecine – zumindest virtuell. Liegt vielleicht auch daran, dass sich seine Nachfolgerin aus dem Prozess der Vinifikation heraushält und der seit 2015 amtierende Winemaker und Gutsdirektor Alessandro Campatelli keiner ist, der um jeden Preis im Vordergrund stehen will. Die grössten Ehren gebühren also weiterhin dem Engländer Dunkley, der sich vor 46 Jahren für die Toskana zu interessieren begann, der sich mit seiner Frau Palmina Abbagnano oberhalb von Gaiole niederliess. 1971 erwarben sie Land, richteten sich ein, begannen die gerade mal 1,5 Hektaren Weinberge zu pflegen und bald auch den ersten Chianti Classico zu produzieren. 1975 boten sie den 1973er an, ohne sogleich einen Welthit zu landen.

Doch als einige Jahre darauf La Gioia folgte, war der Name des Gutes schon über die Toskana hinausgedrungen. «Super Tuscan» kann man den neuen Wein mit Fug und gewissem Recht nennen, würde damit allerdings nur die halbe Wahrheit aussprechen, vielleicht auch bloss ein Viertel. Im Gegensatz zu anderen Weinen dieser Kategorie war Riecine immer von Sangiovese geprägt, heute sind sowohl La Gioia als auch der spätere Riecine di Riecine sowie der normale Chianti Classico reinsortige Sangiovese-Abfüllungen. Und von Anfang an standen die Weine auf der eleganten Seite – mit aller Konsequenz. Mächtige Blockbuster wollte hier nie jemand erzeugen, am allerwenigstens John Dunkley, der bodenständige, aber distinguierte Investor der ersten Stunde.

«Der erstmals 2010 erzeugte Riecine di Riecine», sagt Alessandro Campatelli, «ist eine Art Geschenk der jetzigen Eigentümerin an Gutsgründer John Dunkley.»

Alessandro Campatelli reiht sich nahtlos ein. Der neue Önologe, Nachfolger des erfolgreichen Sean O’Callaghan, denkt nicht im Geringsten daran, die Politik des Hauses zu ändern, und erläutert es am Beispiel des La Gioia. Auch wenn der bereits 1982 erzeugt wurde, in experimenteller Form, wird doch erst der überübernächste Jahrgang als Nummer eins betrachtet. «1985 gilt als erster echter La Gioia», sagt der Italiener, der inzwischen über 21 Hektaren Reben verfügt, der Lagen zwischen 430 und 600 Metern über dem Meeresspiegel bewirtschaftet. Sechs Flurstücke, unterschiedliche Böden, neben Sangiovese vor allem die weissen Sorten Trebbiano und Malvasia. Ein besonderes Terroir, das Weine mit dezent balsamischen Noten liefere, wo schon seit Ewigkeiten Sangiovese angebaut werde. Stilwechsel? Grundlegende Veränderungen? Campatelli hebt die Augenbrauen. Es sei eher der Einfluss der Jahrgänge, der sich bemerkbar mache. Die Sommer brachten mehr Wärme und Trockenheit, mit dem 2003er wurde ein Epochenwechsel eingeläutet. Erstmals sah man in der Toskana, in einem der heissesten Sommer der letzten 200 Jahre, die Auswirkungen des Klimawandels, bekam plastisch vorgeführt, wohin die Reise gehen würde. Logisch, dass sich einige der jüngsten Jahrgänge dichter, saftiger, alkoholreicher präsentieren als jene der 1980er. Der 2003er selbst ist allerdings einer der grössten Erfolge, wirkt alles andere als brandig, ist erstaunlich frisch und balanciert. In jenem Jahr hat man auf Riecine gelernt, welchen Einfluss die Arbeit am Rebstock im Sommer hat, welche Bedeutung rechtzeitige Entlaubung (oder Nichtentlaubung) und grüne Lese besitzen können.

 

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