Man muss sich Gregory Hirschmann als zufriedenen Menschen vorstellen. Der Schweizer schätzt Mallorca, bewundert von seinem Anwesen aus die neu angelegten Rebberge, scheint dort angekommen, wo er hinwollte. Und er muss offensichtlich nicht das tun, was andere Investoren nur zu gern praktizieren: im Licht der Öffentlichkeit stehen, Aufmerksamkeit heischen, auf Werbetour gehen. Im Falle von Hirschmann, der aus der mit Jet Aviation reich gewordenen Familie stammt, geht die Zurückhaltung weiter als anderswo; er lässt lieber seinen Wein sprechen. Oder seine Önologin.

Das Etikett des Grand Vin der Bodega Son Mayol soll alljährlich von einem anderen Künstler gestaltet werden, der dann auch im gleichen Jahr mit einer kleinen permanenten Ausstellung in der Bodega vertreten sein wird. Den Anfang machte die mallorquinische Malerin Francesca Martí.

Marie Barbé stammt aus Frankreich und ist die Höflichkeit in Person. Eine sympathische Macherin, die auf Bodega Son Mayol empfängt, einem neuen Weingut, das im vergangenen Jahr eröffnet wurde, an dem man im März 2017 aber noch ein bisschen Hand anlegt. Vieles ist schon fertig, aber noch wirkt das Ganze nicht so, als wolle man hier schon jetzt die breite Öffentlichkeit empfangen; einen Verkaufsshop gibt es nicht, Verkostungen für vorüberfahrende Neugierige sind zumindest vorerst nicht möglich. Obwohl Son Mayol gar nicht weit entfernt liegt von Palma. 20 Minuten braucht man von der Innenstadt hinaus aufs Land, wenn der Verkehr mitspielt, sieht irgendwann Hinweisschilder auf die Rinderzucht (Angus Son Mayol), mit der 2006 alles begann; bald darauf startete auch das Abenteuer des Weinbaus. Obwohl man es eigentlich nicht Abenteuer nennen sollte, denn Hirschmann muss alles in bewundernswerter Weise geplant haben. Geld war ja da, denn die Familie hatte die 1967 gegründete Firma Jet Aviation 2005 verkauft. Eine Kultur der Diskretion pflegte man übrigens schon lange, lediglich die gerichtsnotorischen Eskapaden eines gewissen Carl «Carli» Hirschmann unterbrachen die Ruhe für eine Weile – doch auch die sind Geschichte. Ob Gregory Hirschmann schon vor dem Verkauf des Flug- und Flugdienstleistungs-unternehmens eine Leidenschaft für Mallorca entwickelt hatte und wie es um seine Privatsammlung an Wein steht, ist nicht in Erfahrung zu bringen.

Die ersten Reben wurden vor acht Jahren gepflanzt.

Cabernet Sauvignon, Merlot und Petit Verdot liess der Investor pflanzen, so viel steht fest, und dass die Vorbilder für seinen Son Mayol nicht auf der Insel lagen, merkt man schon an der Abwesenheit traditioneller mallorquinischer Reben. Callet oder Mantonegro? Ach was. Marie Barbé schaut ein bisschen, als hätte man den Ruf des Médoc als einer der führenden Weinregionen der Welt in Zweifel gezogen. Man habe nun mal die Entscheidung getroffen, Bordelaiser Sorten zu pflanzen, sagt die Französin. Ob die autochthonen Varianten immer ausreichend Komplexität bringen, ist tatsächlich auch auf Mallorca umstritten. Doch man hat nicht den Eindruck, als würde man sich auf Son Mayol übermässig für das interessieren, was etwa die Gelabert-Brüder im Osten der Insel zustande bringen – auch mit dem, was immer schon vorhanden war. Man bleibt auf Son Mayol, so scheint es, in seiner eigenen Welt. Ob man hier tatsächlich den besten Wein Mallorcas erzeugen will? Marie Barbé denkt nicht daran, derartige Gerüchte zu bestätigen.

 

Von Hand sorgfältig aussortierte Trauben.

Holztank aus französischer Eiche, die 3600 Liter fassen.

Seit 2008 wird auf Son Mayol hochwertiges Biofleisch von Black-Angus-Rindern produziert.

Eine über zehn Meter hohe Steinwand, errichtet im Stil von Trockensteinmauern, verbindet die Untergeschosse.

Die gebürtige Bordelaiserin mit Erfahrungen in Indien und Russland hält vor Ort die Stellung, doch denkbar gewesen wäre Son Mayol kaum ohne Patrick Léon. Zwei Dekaden hat der französische Önologe den Premier Cru Mouton Rothschild geprägt, kümmert sich heute um seinen eigenen, auf Château Les Trois Croix wachsenden Wein, berät und beriet Betriebe in der ganzen Welt. Von ihm stammen wohl auch die önologischen Prinzipien, mit denen das Kellergebäude ausgestattet wurde – jenes, das von aussen ein bisschen an Almaviva erinnert, das chilenische Joint Venture zwischen Rothschild und Concha y Toro. Zufall oder Absicht? Kritiker mögen die Stirn runzeln, andererseits darf man einwerfen, dass ästhetische Wellenbewegungen des Daches einfach schön aussehen! Dass Architekt Javier Campos die Schwingungen des benachbarten Tramuntana-Bergzuges umsetzen wollte, wie es heisst, ist alles andere als unlogisch. Doch dann drängen sich noch weitere Details auf, die an Rothschild denken lassen. Vor allem die Gestaltung des Prestigeweins namens Grand Vin. Die künstlerische Darstellung ganz oben, die Schrift darunter, dazu die Flasche – lediglich ein Fingerzeig auf Bordeaux oder ein Hauch von Mouton? Im Jahr des Verkaufs des entsprechenden Weins dürfe der Künstler eine Auswahl seiner Bilder in der Bodega präsentieren, erfährt man. Ausserhalb der Erntezeit kann man die Empfangsräumlichkeiten oder die 1200 Quadratmeter umfassende Terrasse übrigens auch für Events mieten. Olivenöl wäre vorhanden, die eigene Rinderzucht könnte die passenden T-Bone-Steaks liefern.

 

1200 Quadratmeter gross die Terrasse, 300 Quadratmeter der Eingangsbereich mit Glasboden: Sechs Millionen Euro, schrieb die lokale Presse, sollen in die Bodega investiert, bis zu 40 Prozent davon mit Zuschüssen des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft bestritten worden sein.

Bei derartigen Gelegenheiten dürften Weingutsbesichtigungen begehrt sein. Man will ja zu gern wissen, wie der Wein, der schon jetzt einer der teuersten der Insel sein dürfte, produziert wird. Marie Barbé führt durch den Keller, der geräumig wirkt, fast noch ein bisschen leer. Durchaus verständlich, denn vom ersten vermarkteten Jahrgang, dem 2014er, gibt es nur ein paar tausend Flaschen. Nach und nach soll der Ausstoss gesteigert werden, bislang sind nicht alle Weinberge, für deren Bewirtschaftung auch biologische und biodynamische Prinzipien angewendet werden sollen, in Produktion. Dass es auch einen 2013er gab, der aber nicht zu haben ist, dass man sogar eine winzige Menge weisser Trauben keltert, die aber ebenfalls nicht kommerzialisiert werden sollen, erfährt man nebenbei. Offiziell bleibt es bei Premier Vin und Grand Vin. Das Bordelaiser Château-Prinzip wurde auf allen Ebenen verinnerlicht, die Sorgfalt der grossen französischen Vorbilder erst recht. Önologin Barbé zeigt denn die kleinen Kisten, in denen die Trauben schonend vom Weinberg in den Keller transportiert werden, den automatischen Sortiertisch, die Chambre froide. Logisch, dass es stets nach dem Gravitationsprinzip weitergeht, von oben nach unten, ohne unnötige Strapazen für Most und Jungwein. Gespart wurde erkennbar an nichts – weder an den Taransaud-Gärständern noch an den Barriques. Feuchtigkeit und Temperatur werden kontrolliert, für die in den Fässern stattfindende malolaktische Gärung hat man einen separaten Bereich eingerichtet: 20 bis 22 Grad. Alles so, wie es sein soll, will man herausragenden Rotwein im internationalen Stil erzeugen. Nur die Verkostungsmög- lichkeiten sind noch im Aufbau. Marie Barbé bittet zur Degustation ins kleine Laboratorium und zeigt Weine, die technisch nicht besser gemacht sein könnten. Trotz dem unvermeidbar hohen Alkohol elegant, vom Holz nicht übermässig beeinflusst; die bei anderen Produzenten immer mal zu findenden laktischen Noten sind komplett abwesend. Nicht schlecht für einen Wein, dessen Reben noch längst nicht im idealen Alter angelangt sind. Der beste Wein der Insel ist Son Mayol noch nicht – aber selbst wenn dies einer tatsächlich anstreben sollte, wäre es kaum so früh erreichbar. Dürfte wohl auch Gregory Hirschmann finden. Auf Anfragen reagiert der Investor zwar auch Wochen später nicht, aber es spricht viel dafür, dass er einfach auf der Terrasse seines Hauses sitzt, den Grand Vin des Jahrgangs 2014 dekantiert und einen Angus-Burger verspeist. Zufrieden mit sich und der Welt.

SHORT FACTS
BODEGA SON MAYOL
ADRESSE Camí Can Mallol s/n, ES-07010 Establiments
FON +34 871 600 026
INTERNET www.bodegasonmayol.es
INHABER Gregory Hirschmann
ÖNOLOGE Patrick Léon
KELLERMEISTER Marie Barbé
ERSTER VERMARKTETER JAHRGANG 2014
FERTIGSTELLUNG BODEGA REBLAND 20 Hektaren
PRODUKTION ca. 20 000 Flaschen
REBSORTEN Cabernet Sau- vignon, Merlot, Petit Verdot

WEINE BODEGA SON MAYOL