Es wirkt karg, das weite Hochland im Valle de Uco. Rund 80 Kilometer südlich von Mendoza liegt es vor dem schneebedeckten Tupungato, mit 6550 Metern einer der höchsten Vulkane der Erde und einer der höchsten Berge Amerikas. Tupungato heisst auch das Departement, das zur argentinischen Provinz Mendoza gehört, und hier, im Distrikt Gualtallary, liegt die Finca Ambrosio de Tupungato auf 1250 Metern über Meer. Sand, Kalkstein und Felsen prägen den Boden, über den Pedro Parrà ins Schwärmen gerät: «Das ist ein Terroir, wie man es ganz selten findet, es ist von ausserordentlicher Qualität», sagt der chilenische Terroir-Spezialist, der auch als «Doctor Terroir» bekannt ist. Der Boden besteht aus 70 bis 80 Prozent Sand, 10 bis 20 Prozent Kalk und 10 bis 20 Prozent Fels.

Parrà studierte am Institut national agronomique Paris-Grignon in Frankreich (heute: AgroParisTech) und ist heute als Terroir-Konsulent vor allem in Chile, Argentinien und Italien, aber auch im Napa Valley, in Kanada, Armenien, Uruguay und im Burgund tätig. Zusammen mit Partnern schuf er in Chile die Kult-Weingüter Aristos und Clos des Fous. Ins argentinische Valle de Uco kam Parrà durch einen italienischen Freund: Alberto Antonini, früher Chef-Winemaker bei Antinori in der Toskana, baute hier Altos Las Hormigas auf, das inzwischen zu den besten Weingütern Argentiniens gezählt wird. «Das Klima in Gualtallary ist ideal, die Temperatur liegt hier tiefer als unten in Mendoza, die Tage sind warm, die Nächte kühl», sagt Doctor Terroir. Das sei eine wichtige Grundvoraussetzung, denn die besten geologischen Verhältnisse brächten im Weinbau gar nichts, wenn das Klima nicht passe. «Hier kommt beides zusammen», sagt Parrà, «der Kalkstein macht dieses Terroir perfekt für elegante, mineralische Weine.» Die Reben der Finca Ambrosia de Tupungato stünden «auf einem der besten Terroirs nicht nur Argentiniens». Auf die Nachfrage, ob er noch ein bisschen präzisieren könnte, zu den wie viel besten denn etwa, macht Pedro Parrà eine kurze Pause. Dann sagt er: «Ich würde sagen, zu den Top 3.» Kurze Pause, dann: «In ganz Lateinamerika!»

Da strahlt Hans Niedermann. Der Schweizer ist Mitbesitzer der Finca Ambrosia. «Wir hatten ja keine Ahnung, was für ein Topterroir wir da gekauft hatten», lacht er, «das war purer Zufall.»

Die Geschichte der Finca Ambrosia de Tupungato begann vor gut einem Dutzend Jahren. Hans Niedermann war damals noch im Topmanagement eines internationalen Zigarettenkonzerns tätig. An einem Meeting mit den Länderverantwortlichen für Lateinamerika berichtete der Mann aus Argentinien über die aktuelle Abwertung des argentinischen Pesos und die Folgen. «Wir waren ziemlich erstaunt über das Ausmass: In Dollar bezahlte man gerade noch ein Viertel der Preise von vor zwei Wochen.» Da kam in der Runde die Idee auf, dass das ein guter Zeitpunkt wäre, «da unten» etwas zu investieren, zum Beispiel ein Weingut zu kaufen. Mehrere Anwesende waren sofort dabei, und man trug kurzerhand zusammen, wer denn wie viel Geld in ein solches Projekt stecken würde. Dann beauftragte man den Mann aus Argentinien, für den entsprechenden Betrag für den Weinbau geeignete Ländereien zu kaufen. «Keiner von uns hatte Fachkenntnisse», erinnert sich Hans Niedermann. «Die meisten, auch ich, tranken gerne ein gutes Glas Wein, aber darüber hinaus wussten wir kaum etwas über die Weinproduktion.» Und schmunzelnd fügt er an: «Unser Mann in Argentinien verstand noch weniger von Wein als wir anderen – er war Holländer.» Doch der Mann führte den Auftrag aus und kaufte in der fast wüstenartigen Gegend am Fusse des Tupungato die ersten 15 Hektaren Land, später wurde mehr dazugekauft und heute umfasst das Gut mehr als 60 Hektaren.

Von 2003 bis 2006 wurden Reben gepflanzt, Malbec vor allem, aber auch Cabernet Sauvignon, Cabernet franc, Chardonnay und ein paar weitere Sorten. Eine Finca wurde gebaut. Und ein modernes Bewässerungssystem wurde entwickelt, denn in Gualtallary fällt praktisch kein Regen. Doch das Schmelzwasser vom Tupungato sammelt sich als Grundwasser, und dies wird zum Bewässern verwendet. Dafür braucht es eine Konzession. Es gebe noch reichlich ungenutztes Land in der Gegend, erzählt Niedermann, «aber es gibt keine neuen Wasserkonzessionen mehr, weil das Wasser sonst knapp würde».

Die Ernte der Finca Ambrosia wurde zunächst nicht selbst zu Wein weiterverarbeitet, sondern an Kellereien in Mendoza verkauft. Vor allem der grosse Produzent Trapiche, der Millionen von Flaschen in alle Welt verkauft, wurde zum Hauptabnehmer des Traubengutes. Trapiche verfügt zwar über ausgedehnte eigene Rebflächen, doch für die grosse Menge an Wein, die das Haus produziert, werden Trauben von mehr als 200 anderen Gütern dazugekauft.

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Seit 2002 ist Daniel Pi Chef-Winemaker bei Trapiche. Der innovative Önologe, der unter anderem Professor an der Weinbau-Hochschule Don Bosco in Mendoza war, führte bei Trapiche neben den Massenweinen eine Linie mit Einzellagen-Weinen ein, die «Terroir Series».

Diesem engagierten Weinmacher fiel auf, dass die Trauben von Ambrosia de Tupungato von ganz besonderer Qualität waren. Ein Fall für die «Terroir Series». So kam es zum Kontakt zwischen Daniel Pi und den Besitzern der Finca Ambrosia. Er empfahl den Ambrosia-Leuten, aus ihren Trauben auch eigenen Wein zu produzieren. Diese engagierten gleich Pi selber, der zusammen mit seiner Tochter Daniela und seinem Sohn Gonzalo nebenbei in der Garage seines Hauses in Chacras de Coria, einem noblen Vorort von Mendoza, eine kleine, eigene Produktion betreibt, dafür, ihren Wein zu machen. Mit dem Jahrgang 2010 wurde gestartet. 10 000 Liter Malbec wurden nach dem Vergären im Stahltank 18 Monate in neuen französischen Barriques ausgebaut, dann unfiltriert abgefüllt und in der Flasche noch 12 Monate im kühlen Keller reifen gelassen. Als Honorar erhielt Pi einen Teil des Weines. Diesen Malbec vermarktete er unter dem Namen Imperfecto. Der amerikanische Kritiker Neil Martin bewertete diesen ersten Wein aus Trauben der Finca Ambrosia in Robert Parkers «Wine Advocate» mit stolzen 95 Punkten.

Für Trapiche produzierte Pi gleich auch eine Edition Finca Ambrosia 2010 für die «Terroir Series», die vor allem in den USA überschwänglich gelobt wurde. Master of Wine Tim Atkin etwa zählte in seinem «Argentina 2014 Special Report» den Malbec 2010 Trapiche Terroir Series Finca Ambrosia zu den besten Weinen Argentiniens und schrieb, dies sei der beste «Terroir Series»-Wein, den Pi bisher gemacht habe: «Ich liebe die Frische und die Mineralität, welche die Region Gualtallary den Weinen verleiht. Dieser Wein ist wie eine Kreuzung zwischen einem Malbec und einem Syrah von der nördlichen Rhone, weisser Pfeffer und Nelkengewürz mischen sich mit süssen Himbeeren, Pflaumen und roten Kirschen.»

Ambrosia de Tupungato brachte vom Jahrgang 2010 unter dem eigenen Namen ebenfalls einen Malbec auf den Markt, der Reserva genannt wurde. Mit dem 2011er liegt nun der zweite Jahrgang vor. Hans Niedermann verkauft jetzt Wein statt Zigaretten, er ist einer von drei Mitbesitzern, welche die Geschicke des jungen Unternehmens bestimmen. Die anderen sind ein Brasilianer und ein in den USA lebender Brite. Brasilien und Grossbritannien gehören neben der Schweiz und dem «Heimmarkt» Argentinien denn auch zu den ersten Märkten, die bearbeitet werden. «Das Weingeschäft ist neu für mich und nicht immer ganz einfach», sagt Niedermann. Grupal-Inclinada_FD«Dass ich heute wissen muss, wie viel von welchem Wein wir in zwei Jahren verkaufen können oder wollen, ist schon eine Herausforderung.» Für den Vertrieb in der Schweiz hat er sich an einen alten Freund gewandt, Tim Abegg, Besitzer der Weinhandlung Boucherville in Zürich. Boucherville-Geschäftsführer Michel Peter und sein Team kümmern sich engagiert um die Ambrosia-Weine; man findet sie jedenfalls immer öfter auf den Weinkarten von Schweizer Restaurants.

Vom Jahrgang 2011 gibt es zwei Malbec-Abfüllungen: die Viña Unica und den edleren Precioso aus der Mikrovinifkation etwas älterer Reben. Ausserdem gibt es den Cabernet Sauvignon Viña Unica – Niedermanns Lieblingswein. Alle sind sowohl in normaler Flaschengrösse wie als Magnum erhältlich. Zudem gibt es einen Chardonnay von Ambrosia de Tupungato, den Winemaker Daniel Pi aber selbstkritisch beurteilt: «Er ist zwar mineralischer als die üblichen argentinischen Chardonnays, aber wir sind damit noch nicht dort, wo wir hinwollen.» Der Malbec Viña Unica, von dem 16 950 Flaschen abgefüllt wurden, ist mit 5 Prozent Cabernet franc abgerundet, der Malbec Precioso (5450 Flaschen, nummeriert) dagegen besteht zu 100 Prozent aus Malbec. Der Cabernet Sauvignon (8500 Flaschen) ist mit 5 Prozent Malbec verschnitten. Auf diese roten Sorten und den weissen Chardonnay will sich die Finca Ambrosia jetzt konzentrieren. Alle anderen Rebsorten, die daneben auch noch angepflanzt wurden, werden oder wurden bereits wieder ausgerissen. Die Trauben werden von Hand geerntet, 8000 Kilo pro Hektare für den Malbec Viña Unica und den Cabernet Sauvignon Viña Unica, 5000 Kilo für den Malbec Precioso. Insgesamt werden rund 700 000 Kilo Trauben geerntet, nur etwa ein Zehntel davon wird jedoch – bisher – für die Produktion der eigenen Weine verwendet.

Die ersten Weine der Finca Ambrosia de Tupungato sind nicht nur vielversprechend, sondern schon überzeugend. Und mit Preisen von unter 30 Franken im Weinhandel (Fr. 22.50 für die Viña Unica, Fr. 29.– für den Precioso) bieten sie ein ausgezeichnetes Preis-Genuss-Verhältnis. Doch um aus dem Terroir, das so viel Potenzial hat, auch wirklich absolute Spitzenweine herauszuholen, ist noch einige Arbeit nötig. Pedro Parrà ist daran, die gesamte Fläche Quadratmeter für Quadratmeter, sozusagen Rebstock für Rebstock, detailliert zu analysieren und zu kartografieren. Damit können jene Mikroparzellen bestimmt werden, die eine noch bessere Bodenbeschaffenheit aufweisen als die übrige Fläche. Und auf diesen Stücken sollen schon bald ganz grosse Weine wachsen. Hans Niedermann und die anderen Beteiligten freuen sich schon darauf. Und die Fachwelt wartet gespannt auf diese Weine.

WEINE AMBROSIA DE TUPUNGATO


SHORT FACTS AMBROSIA DE TUPUNGATO WEINGUT Calle Publica S/N, Tupungato, Mendoza, Argentinien BÜRO 9 de Julio Planta Baja B 309, 5500 Ciudad Mendoza, Argentinien www.fincaambrosia.com BESITZER 11 Freunde, darunter der Schweizer Hans Niedermann; die Aktien der Ambrosia de Tupungato SA sind seit Dezember 2014 vollumfänglich im Besitz der in der Schweiz neu gegründeten AdT Holding AG mit Sitz in Cinous-chel im Engadin, die von Hans Niedermann geführt wird WINEMAKER Daniel Pi GRÜNDUNG Kauf der ersten 15 Hektaren 2002, Gründung der Finca Ambrosia 2004