Erste Szene: Kalifornien, ein trockener Tag. Ein gutes Stück von Healdsburg entfernt, jener idyllischen, seiner Restaurants, Wine Shops und Cafés wegen bekannten Gemeinde im Sonoma County. Einige Kilometer sind es von hier aus bis zum Pazifik, der Wind kühlt das warme kalifornische Klima ein wenig herunter, sehr viel angenehmer kann man nicht wohnen. Eigentlich ein Ort, um alt zu werden. Doch dann kam jener Tag im vergangenen Herbst. Man konnte das Feuer nicht nur hören und sehen, man konnte es riechen auf der Skipstone Ranch im Alexander Valley. Wie in anderen Teilen des kalifornischen Weinbaus war auch 2017 ein Jahr, das in die Geschichte eingehen wird. Nicht in erster Linie der Qualität der Weine wegen, sondern weil sich die Brände in den Weinbaugebieten nördlich und nordöstlich von San Francisco zu einem Inferno auswachsen sollten. Fahri Diner legt die Stirn in Falten, wenn er von jener Zeit spricht, in der in Kalifornien gewaltige Flächen an Weinbergen den Flammen zum Opfer fielen, in denen auch Weingüter in erheblichem Masse beschädigt oder gar komplett zerstört wurden. Die Schäden, die in Kalifornien durch die Feuer entstanden, sind noch lange nicht beseitigt. Dass man auf Skipstone Glück hatte, können die Diners selbst noch nicht glauben. Im letzten Moment, als man schon auf das Schlimmste gefasst war, drehten die Flammen ab. Rettung in letzter Minute, alles blieb stehen. Nur die Unbekümmertheit, geben Constance und Fahri Diner zu, die musste dran glauben.

Constance und Fahri Diner haben viel Glück gehabt, als in Kalifornien im letzten Jahr gewaltige Flächen an Weinbergen den Flammen zum Opfer fielen. Als man schon auf das Schlimmste gefasst war, drehte der Wind. Alles blieb stehen, auch die Barrel Hall (Bild unten).
(Foto: Sara Sanger)

Fahri Diner wäre allerdings nicht der erfolgreiche Unternehmer, der er ist, würde er sich von solchen knapp abgewendeten Katastrophen aus dem Konzept bringen lassen. Das Abenteuer geht weiter auf jener Ranch, die ihren Namen nicht zufällig erhielt. Überlegt habe er, erzählt Fahri Diner, der gebürtige Zyprer, der bereits eine Karriere als Entrepreneur hinter sich hatte, bevor er auf die Idee mit dem Wein kam. Das Unternehmen Qtera hatte er gegründet und geführt, schliesslich erfolgreich verkauft. Doch für den Ruhestand, fürs Am-Strand-Liegen, war es noch viel zu früh. Nur was sollte er tun? Steine wurden geworfen aufs Meer, damals in Florida, bis die Entscheidung feststand. Reiner Zufall, dass es der Wein, dass es Kalifornien wurde. Oder doch nicht? Denn mit der Landwirtschaft kannte sich die Familie Diner einst aus, Oliven pflanzte sie auf Zypern. Es war wohl auch eine Rückkehr zu den Wurzeln, die sich vor 17 Jahren mit dem Aufbruch nach Kalifornien vollzog. Im Jahr 2001 liess sich Fahri Diner am anderen Ende des Landes nieder, nicht im touristischen, bisweilen überlaufenen Napa Valley, nicht mit einer protzigen Show-Kellerei. Skipstone nannte er die Ranch – in Erinnerung an die Steine, die den Weg wiesen. Fahri Diner liebt es ruhig, will sich keine Denkmäler setzen und weiss genau, dass seine Kenntnisse des Weinmachens, des Rebenschneidens und des Verkostens begrenzt sind. Weshalb er Fachleute für Reben und Böden fragte und den Franzosen Philippe Melka, einen der talentiertesten Önologen der Region, machen liess. Herausgekommen sind in erster Linie zwei Rotweine, die bezüglich der Zusammensetzung auch im Bordelais erzeugt worden sein könnten. Doch einen Abklatsch des Château Haut-Brion, wo Melka einst Erfahrungen sammelte, sollte man nicht erwarten.

Zweite Szene: Zürich, eine Wohnung über dem Corso-Kino. Udo Jürgens liebte diese Lage, und man versteht ihn nur zu gut, darf man wie einst er den Ausblick auf den Sechseläutenplatz und den See geniessen. Constance und Fahri Diner haben zur Verkostung geladen, Hostessen reichen Häppchen. Die Beziehungen Fahri Diners zur Schweiz sind bislang noch überschaubar, sein Deutsch ist nicht perfekt, doch seine Frau Constance ist eine geborene Berthold. Aus Deutschland stammend, in der Schweiz längst heimisch geworden, ist lange als PR- und Marketing-Spezialistin aktiv. Im Oktober 2013 heirateten beide in New York, nun stellen sie ihre Weine vor. Die Flaschen öffnet General Manager Brian Ball, schenkt den einzigen Weisswein des Hauses ins Glas. Einen Viognier, kraftvoll, deutlich, aber nicht aufdringlich geprägt vom Ausbau im neuen Holz (etwa ein Drittel bis zwei Fünftel, je nach Jahrgang). Konzentriert ist der 2013er, erstaunlich ölig sogar, um genau zu sein, verbunden mit einer für Harmonie und Frische sorgenden Säure. Man merkt es schon beim Einstieg in die Degustation, dass es Basisweine für den Alltagskonsum aus Prinzip nicht gibt auf Skipstone. Ebenso wenig wie schicke Verkostungsräume oder anderen repräsentativen Schnickschnack, weshalb man sich anmelden sollte, will man vor Ort eine der wenigen Flaschen erwerben. Über den auf Skipstone praktizierten biologischen Anbau erzählt der Chef dann gern mal persönlich und darüber, dass Kontamination von anderswo nicht zu befürchten sei. Es gibt nämlich kaum Anrainer, lediglich an einer Ecke grenzt der Skipstone-Weinberg an einen Nachbarn. Nichts beeinträchtigt die Olivenernte – in kleinen Mengen wird ein eigenes Öl hergestellt – oder die Erträge von Cabernet & Co. Im Detail mag sich die Zusammensetzung der beiden derzeit produzierten Rotweine ändern, doch die Prinzipien bleiben. Der «Faultline» ist von Cabernet franc geprägt, wird vor allem von Merlot und Cabernet Sauvignon ergänzt. Der «Oliver’s Blend» dagegen ist ein beinahe reinsortiger Cabernet Sauvignon. Dicht, kraftvoll, je nach Jahrgang von Cassiswürze, zarten floralen Noten und feinen Tanninen geprägt, sind beide. In guten Jahren explodiert die Frucht beinah, und es fehlt nicht mehr viel, um an den Status von Blockbustern heranzureichen.

Skipstone-Önologe ist der Franzose Philippe Melka. Sein von Cabernet franc geprägter «Faultline» wie der beinahe reinsortige Cabernet Sauvignon «Oliver’s Blend» könnten auch im Bordelais erzeugt worden sein.

Doch höchste Punktzahlen und andere Ehrungen sind kaum der Ehrgeiz von Fahri Diner. Aus dem Alter scheint der bedächtige Amerikaner heraus. Viel lieber kümmert er sich persönlich um einen Wein, den man trotz allen Bemühungen niemals in Kalifornien wird machen können. Zur Hochzeit mit Constance schenkte Fahri seiner Schweizer Gattin echten Champagner. In Zusammenarbeit mit dem Champagnerhaus Diebolt-Vallois sei der entstanden, erzählt Fahri Diner. Kein simpler Standard-Schaumwein, sondern ein 2005er Blanc de Blancs, einige hundert Flaschen nur, acht Jahre auf der Hefe gereift, wunderbar duftig und elegant. Muss man ebenso mögen wie die Geschichte dahinter, die wohl nur ein Zyprer kennt und die mit einem mittelalterlichen französischen Edelmann zu tun hat, der vom Kreuzzug zurückkehrend Geschenke für seine Herzensdame mitbrachte. Eine Rose, einen Rebstock. Rose de Constance nennt sich der Champagner folgerichtig. Romantischer kann man Weinbau und Floristik wohl kaum miteinander verbinden.

Der Champagner aus dem französisch-kalifornischen Joint Venture ist zum Glück nicht nur für private Anlässe des Ehepaares Diner bestimmt, sondern kann inzwischen – solange der knappe Vorrat reicht – auch von Schweizern erworben werden. Gehen die Mengen des 2005ers dereinst zur Neige, soll es Nachfolger geben. Und was die Schweiz angeht: Die Diners wollen fortan erheblich mehr Zeit in Zürich verbringen. Was nicht bedeutet, dass sie das Weingut im Alexander Valley vernachlässigten. Er glaube weiterhin an die Skipstone Ranch, sagt Fahri Diner, auch wenn man die klimatischen Veränderungen im Auge behalten müsse. Bemerkenswerte Rotweine wird es also, ebenso wie öligen Viognier, weiterhin geben in Geyserville, Winemaker Philippe Melka darf noch lange zeigen, was er in Bordeaux gelernt hat. Wäre ja noch schöner, wenn die einst übers Wasser fliegenden Steine den falschen Weg gewiesen hätten.

SHORT FACTS
SKIPSTONE

ADRESSE Skipstone Ranch, 2503 Geysers Road, Geyserville, Ca 95441, USA
FON +1 707 433 9124
INTERNET www.skipstonewines.com
INHABER Fahri und Constance Diner
GENERAL MANAGER BrianBall
ÖNOLOGE Philippe Melka
VINEYARD MANAGER Juan Alcantara
GRÜNDUNG 2001
GESAMTFLÄCHE 80 Hektaren
REBLAND 14 Hektaren
PRODUKTION 10000 Flaschen
REBSORTEN Viognier, Caber­net Sauvignon, Merlot, Cabernet franc, Petit Verdot

WEINE SKIPSTONE